Heute möchte ich mal über ein Thema daherbrabbeln, das mir in Rollenspielen, gerade in der OSR, immer wieder negativ auffällt: der Umgang mit Ausrüstung, vor allem mit Waffen. Hier verspielen viele Systeme eine Menge Potential, und ich möchte einen Weg aufzeigen, wie das meiner Meinung nach besser ginge.
In meiner Sichtweise hat eine Waffenliste einige ganz fundamentale Aufgaben, die je nach kreativer Agenda von Spielern und System unterschiedlich gewichtet werden können. Offensichtlich wären da:
- Simulation – eine MP hat weniger Reichweite als ein Scharfschützengewehr, ein Breitschwert hat andere Einsatzmöglichkeiten als ein Paar Dolche
- Charakterisierung – die Wahl einer Waffe kann etwas über den Charakter aussagen, z. B. durch Assoziationen von Waffen mit ehrenhaftem (Degen) oder unehrenhaftem (vergiftete Dolche) Kampf oder mit bestimmten Kulturkreisen (Zwergenarmbrust und Elfenbogen)
- Optimierungspotential – die Wahl der optimalen Waffe ist für Taktierer wie für Barbiespieler ein Spaßfaktor
- Taktik – jede Waffe passt zu anderen Spielstilen
Meine Hauptaussage wird sich im Folgenden auf Punkt 4 stützen: Jede Waffe passt zu einem anderen Spielstil. Was heißt das? In Systemen, die ohne Aspekte oder Ähnliches arbeiten, kann Ausrüstung ein Flag sein, welche Art von Herausforderung jeder einzelne Spieler mit seinem Charakter spielen will, genau wie Skills das auch sind. Und viele Systeme schaffen es meines Erachtens nicht, das wirklich gut umzusetzen.
Was braucht es, um diesen Punkt richtig gut umzusetzen und somit die Wahl einer passenden Waffe für seinen Charakter nicht nur zum Listenwühlen zu machen, sondern zu einer Gelegenheit für eine bedeutungsvolle Entscheidung? Es braucht ein System, in dem es nicht einen Dolch (schwach), ein Schwert (so mittelstark) und eine Axt (sehr stark) gibt, sondern in dem jede Waffe klare Stärken und Schwächen hat. Das kann rein über Zahlenwerte erfolgen – eine Waffe hat gute Trefferboni, aber wenig Schaden, eine andere ist genau umgekehrt. Wesentlich besser sind meines Erachtens aber Systeme, in denen Waffen Sonderregeln mit sich führen, um ihre Eigenheiten darzustellen. Das muss gar nicht so komplex sein wie es sich auf den ersten Blick anhört, schon eine halbseitige Waffenliste und ein Absatz Sonderregeln je Waffentyp kann es schaffen, dass sich wirklich jede Waffe anders anfühlt. Das Scharfschützengewehr taugt eigentlich nur, wenn der Schütze etliche Runden Zeit hatte, sich vorzubereiten, und ist im Kampf deshalb quasi unbrauchbar. Aber wenn der Schütze versteckt auf einem guten Aussichtspunkt liegt, während der Rest der Gruppe eine Ablenkung produziert, rockt der Scharfschütze die Hütte. Die Schrotflinte macht massiven Schaden auf kurze Reichweite und kann auch mehrere Gegner auf einmal angreifen, aber auf lange Reichweiten? Vergiss es. Damit ist sie optimal für den “Fighter” der Gruppe, um es mal auf klassische EDO-Nischen umzumünzen. Und schwupps hat man auch in einem modernen Setting ohne übernatürliche Elemente die Möglichkeit, ausdifferenzierte Charaktere zu schaffen.
Was man auf keinen Fall machen darf, ist eine Waffenliste wie die von Dungeonslayers oder Stars without Number (beides Systeme, die ich sehr schätze), in denen es eigentlich eine Progression von “schlechten Waffen” zu “guten Waffen” gibt, aber gefühlt nicht viel mehr als das. Der einzige Grund, nicht gleich das größte Gerät überhaupt zu nehmen, ist die Verfügbarkeit für Startcharaktere (Preis und/oder Techlevel). Zur Verteidigung von Dungeonslayers sollte man allerdings auch anführen, dass Waffen hier durch eingebettete Talente und Zauber sehr vielfältig sein können und die Charaktere sich meistens recht schnell von ihren Startwaffen verabschieden.
Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist Progression – die geht mir in vielen, gerade OSRigen Systemen einfach zu schnell. Wenn es ein Spaßfaktor des Spiels sein soll, bessere Ausrüstung zu kriegen, darf man nicht nach drei, vier Sitzungen ganz oben angekommen sein, sondern der Aufstieg muss langsam genug oder auf genug verschiedene Kategorien (Waffen, Rüstungen, Waffenmodifikationen) verteilt sein, um immer mal wieder interessant zu werden, auch in längeren Kampagnen. Dabei darf es dann natürlich nicht eine schwache Waffe (Dolch), eine mittelstarke (Schwert) und eine starke (Axt) geben, sondern es sollte schlechtere und bessere Dolche, schlechtere und bessere Schwerter und schlechtere und bessere Äxte geben.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass ich damit nicht für Ausrüstungskapitel votiere, die das Umfangreichste ihres Buches sind. Im Gegenteil, zum Beispiel Stars without Number hat für mich genug Auswahl bei den Waffen, sie fühlen sich nur einfach nicht unterschiedlich genug an – zumindest meiner Erfahrung nach. Ein bisschen mehr Nachdenken darüber, welche Spieldynamiken man eigentlich haben will, könnte Ausrüstung zu einem wichtigen, gut integrierten Bestandteil des Spiels machen und aus dem Schattendasein der irgendwie so drangeflanschten Tabelle mit Werten, die halt irgendwie so pseudorealistisch sein sollen, befreien.