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Die Wahl der Waffen

Heute möchte ich mal über ein Thema daherbrabbeln, das mir in Rollenspielen, gerade in der OSR, immer wieder negativ auffällt: der Umgang mit Ausrüstung, vor allem mit Waffen. Hier verspielen viele Systeme eine Menge Potential, und ich möchte einen Weg aufzeigen, wie das meiner Meinung nach besser ginge.

In meiner Sichtweise hat eine Waffenliste einige ganz fundamentale Aufgaben, die je nach kreativer Agenda von Spielern und System unterschiedlich gewichtet werden können. Offensichtlich wären da:

  1. Simulation – eine MP hat weniger Reichweite als ein Scharfschützengewehr, ein Breitschwert hat andere Einsatzmöglichkeiten als ein Paar Dolche
  2. Charakterisierung – die Wahl einer Waffe kann etwas über den Charakter aussagen, z. B. durch Assoziationen von Waffen mit ehrenhaftem (Degen) oder unehrenhaftem (vergiftete Dolche) Kampf oder mit bestimmten Kulturkreisen (Zwergenarmbrust und Elfenbogen)
  3. Optimierungspotential – die Wahl der optimalen Waffe ist für Taktierer wie für Barbiespieler ein Spaßfaktor
  4. Taktik – jede Waffe passt zu anderen Spielstilen

Meine Hauptaussage wird sich im Folgenden auf Punkt 4 stützen: Jede Waffe passt zu einem anderen Spielstil. Was heißt das? In Systemen, die ohne Aspekte oder Ähnliches arbeiten, kann Ausrüstung ein Flag sein, welche Art von Herausforderung jeder einzelne Spieler mit seinem Charakter spielen will, genau wie Skills das auch sind. Und viele Systeme schaffen es meines Erachtens nicht, das wirklich gut umzusetzen.

Was braucht es, um diesen Punkt richtig gut umzusetzen und somit die Wahl einer passenden Waffe für seinen Charakter nicht nur zum Listenwühlen zu machen, sondern zu einer Gelegenheit für eine bedeutungsvolle Entscheidung? Es braucht ein System, in dem es nicht einen Dolch (schwach), ein Schwert (so mittelstark) und eine Axt (sehr stark) gibt, sondern in dem jede Waffe klare Stärken und Schwächen hat. Das kann rein über Zahlenwerte erfolgen – eine Waffe hat gute Trefferboni, aber wenig Schaden, eine andere ist genau umgekehrt. Wesentlich besser sind meines Erachtens aber Systeme, in denen Waffen Sonderregeln mit sich führen, um ihre Eigenheiten darzustellen. Das muss gar nicht so komplex sein wie es sich auf den ersten Blick anhört, schon eine halbseitige Waffenliste und ein Absatz Sonderregeln je Waffentyp kann es schaffen, dass sich wirklich jede Waffe anders anfühlt. Das Scharfschützengewehr taugt eigentlich nur, wenn der Schütze etliche Runden Zeit hatte, sich vorzubereiten, und ist im Kampf deshalb quasi unbrauchbar. Aber wenn der Schütze versteckt auf einem guten Aussichtspunkt liegt, während der Rest der Gruppe eine Ablenkung produziert, rockt der Scharfschütze die Hütte. Die Schrotflinte macht massiven Schaden auf kurze Reichweite und kann auch mehrere Gegner auf einmal angreifen, aber auf lange Reichweiten? Vergiss es. Damit ist sie optimal für den “Fighter” der Gruppe, um es mal auf klassische EDO-Nischen umzumünzen. Und schwupps hat man auch in einem modernen Setting ohne übernatürliche Elemente die Möglichkeit, ausdifferenzierte Charaktere zu schaffen.

Was man auf keinen Fall machen darf, ist eine Waffenliste wie die von Dungeonslayers oder Stars without Number (beides Systeme, die ich sehr schätze), in denen es eigentlich eine Progression von “schlechten Waffen” zu “guten Waffen” gibt, aber gefühlt nicht viel mehr als das. Der einzige Grund, nicht gleich das größte Gerät überhaupt zu nehmen, ist die Verfügbarkeit für Startcharaktere (Preis und/oder Techlevel). Zur Verteidigung von Dungeonslayers sollte man allerdings auch anführen, dass Waffen hier durch eingebettete Talente und Zauber sehr vielfältig sein können und die Charaktere sich meistens recht schnell von ihren Startwaffen verabschieden.

Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist Progression – die geht mir in vielen, gerade OSRigen Systemen einfach zu schnell. Wenn es ein Spaßfaktor des Spiels sein soll, bessere Ausrüstung zu kriegen, darf man nicht nach drei, vier Sitzungen ganz oben angekommen sein, sondern der Aufstieg muss langsam genug oder auf genug verschiedene Kategorien (Waffen, Rüstungen, Waffenmodifikationen) verteilt sein, um immer mal wieder interessant zu werden, auch in längeren Kampagnen. Dabei darf es dann natürlich nicht eine schwache Waffe (Dolch), eine mittelstarke (Schwert) und eine starke (Axt) geben, sondern es sollte schlechtere und bessere Dolche, schlechtere und bessere Schwerter und schlechtere und bessere Äxte geben.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass ich damit nicht für Ausrüstungskapitel votiere, die das Umfangreichste ihres Buches sind. Im Gegenteil, zum Beispiel Stars without Number hat für mich genug Auswahl bei den Waffen, sie fühlen sich nur einfach nicht unterschiedlich genug an – zumindest meiner Erfahrung nach. Ein bisschen mehr Nachdenken darüber, welche Spieldynamiken man eigentlich haben will, könnte Ausrüstung zu einem wichtigen, gut integrierten Bestandteil des Spiels machen und aus dem Schattendasein der irgendwie so drangeflanschten Tabelle mit Werten, die halt irgendwie so pseudorealistisch sein sollen, befreien.


Ein Entwurf für ‚Mechs without Number

Mittlerweile habe ich mich doch einmal aufgerafft, um meine Idee „BattleTech mit Stars without Number“ umzusetzen und ein erster Entwurf ist fertig, er findet sich in diesem Beitrag. Für Leute, die nicht gleich 200 Zeilen lesen wollen, eine kurze Zusammenfassung:

  • Ein Mech hat sechs Trefferzonen, im Gegensatz zu Battletech entfallen der Einfachheit halber die Seitentorsi.
  • Jede Trefferzone hat einen Panzerungswert (Hitpoints), dieser wird durch erfolgreiche Angriffe gesenkt. Ist die Panzerung aufgebraucht, zerstört jeder weitere Schadenswürfel, der in die jeweilige Zone trifft, ein zufällig bestimmtes Modul dieser Zone. Interne Strukturpunkte gibt es nicht.
  • Trefferzonen werden bei Laserwaffen und ACs zufällig ausgewürfelt, bei Raketenwaffen dürfen Angreifer und Verteidiger je einen Teil der Schadenswürfel auf die Trefferzonen verteilen.
  • Hitze wird über einen Rettungswurf gehandhabt, dieser besteht aus einem mechabhängigen Basiswert, dem Gunnery-Skill des Piloten und der Zahl der abgefeuerten Waffen. Ein misslungener Rettungswurf führt dazu, dass auf einer fünfstufigen Skala mit Hitzeeffekten die nächste Skala erreicht wird.

Danke an Zornhau und alexandro, die mir vor langer Zeit einige nützliche Ideen zu diesen Themenkomplexen geben konnten. Feedback nehme ich gerne hier in den Kommentaren oder im Tanelorn entgegen.

Der komplette Entwurf folgt:

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[Idee] Mechs without Number

Oder: Versuch eines Battletech-Rollenspiels, das ich nicht doof finde.

Als ich gerade ins RPG-Hobby einsteigen wollte (also Ende 2010), geriet ich bei einer meiner ersten Expeditionen an eine Gruppe Battletechler. Wenig später wurde ich in diese Gruppe auch aufgenommen, lernte die Regeln und spielte öfters mal eine schöne Tabletop-Mechschlacht auf den Hexfeldern.

Seitdem bin ich auch über MegaMek gestolpert und habe damit etliche Partien mit anderen Leuten gespielt (was ziemlich Laune macht), habe einige der Battletech-Romane gelesen und zumindest einen Teil davon (genau gesagt, die Romane von Stackpole) für gut befunden, bei MechWarrior 4: Mercenaries haufenweise Altmetall produziert und mich dabei ein kleines Bisschen in Battletech verliebt. Mir gefällt das irgendwie bodenständige Scifi-Setting, aber vor allem mag ich natürlich die haushohen Panzer auf Beinen mit haufenweise Waffen.

Was mir hingegen nicht gefällt, ist das offizielle Battletech-RPG “A Time of War” (AToW), das ich neulich einmal ausprobieren durfte. Es ist zwar spielbar, aber schon die Charakterschaffung kommt mir unglaublich kompliziert und zäh vor, das  Probensystem ist einfach nur wirr (verschiedene Fertigkeiten haben verschiedene Zielwerte, die durch Traits auch noch modifiziert werden können, Attributsproben haben feste Zielwerte, aber bei einer Probe auf ein Attribut ist der Zielwert anders als bei einer Probe auf zwei Attribute und so weiter – überhaupt gibt es viel zu viele Arten von Proben) – bis zum Kampfsystem bin ich bisher noch nicht vorgedrungen.

Die Lösung, die ich persönlich derzeit am Sinnvollsten finden würde, wäre eine Konvertierung auf Stars Without Number (SWN). Was mir an dem System gefällt, habe ich hier ja bereits geschildert. Dabei hat SWN auch insgesamt ein recht ähnliches Spielgefühl wie das Battletech-Setting: Keine allzu dominanten Alienrassen (primär werden Menschen gespielt, und die sind auch weitestgehend unter sich), Lostech/Pretech (auch wenn beides unterschiedliche Gründe hat), generell recht bodenständige (no pun intended) Technik, Planeten mit ziemlich geringen Einwohnerzahlen und ziemlich wenigen Siedlungen und so weiter.

Dabei braucht es natürlich ein paar Regelfixes:

  • Es gibt keine Psioniker.
  • Es fliegen ein paar Background und Training Packages raus – welche konkret, müsste ich noch überlegen.
  • Es braucht ein paar neue Training Packages – allen voran natürlich den MechKrieger (Vehicle/Mech, Combat/Gunnery, Combat/any, Tactics), aber ich denke da auch an ComStar-Adepten, AsTechs etc..
  • Bei den Background Packages müssten auch noch ein paar neue rein, u. A. denke ich, dass da die Claner ein paar eigene Pakete bräuchten (auch wenn ich noch keine Vorstellung habe, welche – da sind auch etliche Hintergrundwissenslücken).
  • Meiner Meinung nach wäre es ziemlich schick, wenn man auch in Mechs without Number, genau wie bei AToW, Tabletop-Schlachten nach Total Warfare-Regeln (TW) ins Spiel integrieren könnte. Das geht über eine simple Umrechnungstabelle vermutlich recht gut, mit der sich die Werte der Fertigkeiten “Vehicle (Mech)” und “Combat (Gunnery)” auf Piloten- und Schützenwert nach TW-Regeln umsetzen lassen:
SWN TW
-1 6
0 5
1 4
2 3
3 2
4 1

Den Attack Bonus habe ich für’s Erste mal außen vor gelassen, da er die Umrechnung zu sehr verkompliziert, allerdings ließe sich da auch noch eine andere Tabelle erfinden.

  • Der letzte Punkt deutet ja schon an, wo des Pudels Kern liegt: Mechkampf. Die TW-Regeln sind zwar nett, aber man kann nicht einfach alles mit diesen Regeln abhandeln, da sie recht langsam und aufwendig sind. Es bräuchte also Regeln, um auch Kämpfe mit Mechs und Fahrzeugen abhandeln zu können. Leider sind die Mechregeln, die SWN in der Kaufversion mitliefert, für den Zweck einer Battletech-Conversion vollkommen ungeeignet: Mechs haben viel zu wenige Waffen, die Munitionsregeln sind selbst mir zu grob, Hitze wird völlig ignoriert und ich persönlich hätte gerne zumindest ein rudimentäres Trefferzonenmodell mit der Möglichkeit, einzelne Systeme zu beschädigen. Leider ist für diesen Teil vermutlich ein weitestgehender Neubau nötig.

Dazu würde mich natürlich auch Feedback interessieren – sind meine bisherigen Gedanken brauchbar, übersehe ich etwas oder gibt es sogar schon Versuche, so etwas umzusetzen?

Diskussionsthread im Tanelorn


Habe ich neu: Stars Without Number

Gelegentlich stolpert man einfach so über ein Juwel, wo man gar nicht damit gerechnet hätte. Mein neuer Zufallsfund ist ein SciFi-System (nicht meine Baustelle), technisch gesehen ein DnD-Retroklon (nicht meine Baustelle) und hat nicht mal Schicksalspunkte (nicht meine Baustelle). Trotzdem: Es gefällt mir. Die Rede ist von Stars Without Number (SWN).

Das erste, was an SWN gut ist: Es ist als PDF kostenlos erhältlich. Beim Blick in das 210 Seiten starke Dokument fällt zunächst das dezente, aber doch gefällige Layout auf. Im Inhaltsverzeichnis wird dann schon klar, was die eigentliche Stärke dieses Systems ist: Die Charakterschaffung endet auf Seite 24, es folgt die Ausrüstung, auf Seite 59 beginnen die eigentlichen Spielregeln. Seite 71 bis 77 sind Hintergrundbeschreibung. Der Rest des Dokuments beinhaltet dann den Spielleiterteil mit Kapiteln wie “World Generation”, “Adventure Creation” und “Factions” – dazu später mehr.

Das System hat ganze drei Klassen: Experten, Psioniker und Kämpfer. Über Hintergrund- und Berufspakete folgt die weitere Spezialisierung und die Verteilung der Fertigkeiten – ja, Fertigkeiten. Ganz un-oldschoolig. Die Fertigkeiten zeigen auch den einen Wermutstropfen des Systems: Quasi jeder Würfel darf mal ran. 2W6 für Fertigkeitsproben, 1W8 für die Inititative, 1W20 für Angriffe, hätte es das wirklich gebraucht? Am Spieltisch stelle ich mir das eher nervig vor, aber es gibt freilich Schlimmeres.

Alle Systeme – Kampf, Raumschiffbaukästen, interstellare Reisen – werden kurz und knackig abgehandelt. Nach einmaligem Überlesen wirkt alles recht durchdacht.

Spannend wird es danach im Spielleiterteil: Tabellen, Tabellen, Tabellen. SWN ist ein System für Sandboxing – das wird spätestens hier klar. Planeten, Parteien, Religionen, Abenteuerhooks – alles kann ausgewürfelt werden. NSC-Templates, ein Alienbaukasten und viele Namenstabellen (Spanisch, Chinesisch, Japanisch, Englisch und so weiter) runden das Ganze noch ab. Auch passende Anleitungen und detaillierte Beschreibungen, was man da eigentlich gerade ausgewürfelt hat, ist selbstverständlich vorhanden.

Was als Einziges fehlt: Ein Beispielabenteuer. Das kann man dafür mit 1W100 aus der Abenteuerhooktabelle auswürfeln, auf einer frisch ausgewürfelten Welt ansiedeln und losspielen.

Summa summarum: Hier hat es sich gelohnt, mal ein wenig über den Tellerrand zu gucken. Das System hält auf den ersten Blick alles, was sein guter Ruf verspricht. Jetzt bin ich gespannt, ob und mit welchem Ergebnis ich SWN ausprobieren kann – mit etwas Glück wird das schon heute abend etwas.