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[NaGaDeMon/STUSS] Was will ich?

Hui, das überbietet selbst meinen persönlichen Rekord im Bereich der Verwendung kryptischer Abkürzungen in Beitragstiteln. Also drösele ich das mal auf.

Der „NaGaDeMon” ist der National Game Design Month (Nationaler Spieldesignmonat), und das ist der November 2011 (siehe hier im Tanelorn oder hier beim Schöpfer dieser Veranstaltung).

STUSS ist das RPG, das ich zu entwickeln gedenke. Der Name ist eine Abkürzung für “Scheißtolles Universalspielsystem”, mein Arbeitstitel. Ich habe das vage Gefühl, das wird nie was.

Was bisher geschah:

Zwei Systeme, die mir derzeit sehr gut gefallen, sind Malmsturm / FATE und Savage Worlds. FATE, weil es einige sehr schöne Player-Empowerment-Mechaniken enthält, Savage Worlds, weil Kämpfe einfach rocken.

Aber beide Systeme haben ihre kleinen Macken. FATE krankt vor allem daran, dass ich meine Lieblingsspieler nicht dazu motiviert kriege. Außerdem wünsche ich mir manchmal doch stellenweise mehr Crunch (Auswirkungen von Waffen, detailliertere Magie). Einfach weil Crunch doch irgendwie Spaß macht.

Bei Savage Worlds nerven mich auch einige Punkte:

  • Die teilweise absurd nervige Wundmechanik – wie viele Wunden macht ein Erfolg beim Schaden würfeln auf einen angeschlagenen Gegner? Eine. Wie viele Wunden macht ein Raise beim Schaden würfeln auf einen angeschlagenen Gegner? Eine. Und mit zwei Raises macht man dann zwei Wunden. Da gibt es noch andere Stellen, an denen die Mechanik in der Praxis leicht verwirrt (Schaden wegstecken, sage ich da nur).
  • Machtpunkte – das ganze System funktioniert ohne Abstreichkram, aber bei der Magie kommen dann auf einmal verbrauchbare Punkte dahergehüpft. Noch dazu mit stundenweiser Regeneration, damit der SL nicht gelangweilt wird, weil er nichts zum Handwedeln hat.
  • Wahrscheinlichkeiten – eine um 2 erschwerte Probe ist teilweise mit einem höheren Fertigkeitswert schwerer zu schaffen. Das mag wie praxisferne Nörgelei wirken, ist es ein Stück weit auch, aber es nagt doch im Hinterkopf.
  • Fertigkeiten vs. Attribute – wenn es eine passende Fertigkeit für eine Handlung gibt, wird das Attribut einfach ignoriert. Das hat zwei Auswirkungen: Erstens bringt einem das Attribut gar nichts, wenn man die Fertigkeit nicht hat, würfelt man halt auf einen miesen Wert. Die zweite Auswirkung davon ist: Man muss für NSCs oder Monster quasi alle Fertigkeiten, die relevant sein könnten, festlegen, es reicht nicht, einfach die Attribute zu schreiben und fertig. Mir wäre ein System, das mit Fertigkeit+Attribut arbeitet, daher deutlich lieber.
  • fehlendes (beziehungsweise in der aktuellen Auflage zwar vorhandenes, aber nach Hörensagen eher nicht so gutes) System für soziale Konflikte – siehe meinen letzten Beitrag…

Sobald ich diesen Beitrag absende, fallen mir sicherlich noch einige andere Punkte ein, aber egal. Fakt ist: Eigentlich mag ich das Spielgefühl von SaWo wirklich – ich kann mir als SL quasi alles einfach aus dem Ärmel schütteln, Kämpfe sind schnell, crunchig und würfelreich (ich mag Würfel!) und auch die Karten-Initiative macht auf die Dauer richtig Laune.

Aber irgendwie gibt es einige Stellen, an denen ich mir denke, das müsste doch besser gehen.

Daher hatte ich vor ein paar Tagen angefangen, mir ein Lastenheft zu schreiben und mir ein paar Gedanken zu machen, wie das “passende” System dazu aussehen müsste. Das sah dann quasi so aus:

  • Universalregelwerk mit Regelkern auf max. 50 Seiten A4
  • feature complete (Konfliktsystem, idealerweise einheitlich für sozial/physisch, Magiesystem)
  • crunchige, aber cinematische Kampfregeln (Äktschn)
    • Bennies
    • Battlematsupport
  • ein Würfel pro Aktion  (um mehrere Gegner auf einmal würfeln zu können)
  • Player Empowerment (mindestens Behauptungsmechanismus, ggf. als “Zusatzmodul”)
  • mindestens eine Art frei gestaltbarer Charaktereckpunkte
  • NSCs sind mit max. 5 Werten vollständig umrissen (mit mehr Werten aber weiter verfeinerbar)
  • stufenloses System (ich mag es nicht, drei Sitzungen warten zu müssen, bis ich etwas mit meinem Charakter tun kann)
  • Punktkauf oder anderes „freies“ System
  • keine großen Anpassungen ans Setting notwendig
  • Minimum an Buchhaltung(keine Abstreichpunkte für irgendwas!)

Wie ich das umsetze? Nun ja, ein paar Ideen habe ich schon. Aber der November beginnt erst morgen. Wie es mit dem Systembau weitergeht, seht ihr gleich nach der nächsten Maus.

Allgemein hätte ich das Projekt ohne die NaGaDeMon einfach fallen gelassen. Sicherlich gibt es schon irgendetwas, was einigermaßen meinen Stil trifft. Aber das ist mir eigentlich relativ egal, jetzt mache ich mir mal den Spaß und baue “mein” System. Ob es dann tatsächlich spielbar ist und ob es dann tatsächlich besser wird als Savage Worlds (ein eigentlich ziemlich gutes System), wird sich zeigen, ich wage es beinahe zu bezweifeln. Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben. Meine bisherigen Systembauversuche waren teilweise eher mittelmäßig, aber einige Ideen aus meiner bisherigen Erfahrung gefallen mir doch ganz gut und könnten hier tatsächlich recycled werden.

Die Kriterien sind auch nicht in Stein gemeißelt, da kann sich noch einiges tun, auch wenn ich hoffe, meine bisherigen Anforderungen sind einigermaßen umsetzbar. Wir werden sehen.

Nachdem es auch zu den Aufgaben der Veranstaltung gehört, über sein Produkt zu schreiben, werde ich das auch weiterhin machen (mein armes Blog fühlt sich eh schon vernachlässigt). Einen Diskussionsfaden im Tanelorn mache ich dazu auch noch auf, ich nehme Feedback aber auch gerne hier an.

Mal sehen, was das wird, ich bin gespannt.


Konflikt vs. Kampf

Kürzlich tauchte im Dungeonslayers-Forum mal wieder die Diskussion auf, was denn ein “Nicht-Kampf-Rollenspiel” sei (siehe hier). Das brachte mich dann zu der steilen These: Ein nicht kampfbetontes RPG (den Begriff “Nicht-Kampf-RPG” finde ich leicht unsinnig, aber das ist nicht das Thema) ist jedes, welches zum Kampf ähnlich hart und umfangreich verregelte Alternativen gibt.

Was ich damit meine, ist die Notwendigkeit eines sozialen Konfliktsystems, einer noch viel zu wenig verbreiteten Regelmechanik.

Im Kern gibt es an soziale Konflikte drei Herangehensweisen für die Umsetzung am Spieltisch:

Erstmal wäre da das reine Ausspielen: Die Spieler spielen ihre SCs aus, der SL reagiert für die NSCs “angemessen” darauf. Das Problem hierbei ist schon ganz offensichtlich: Ob sich ein Konflikt friedlich, also mit Worten beilegen lässt, ist eine quasi reine Entscheidung des Spielleiters. Wer würde schon einen Kampf einfach ausspielen und dann handwedeln lassen (“Ich haue mit meinem Breitschwert auf den Goblin.” – “Der Goblin piekst dir ins linke Auge.” – “Ich haue den Goblin nochmal mit meinem Breitschwert und schreie ihn an.” – “Der Goblin ist tot”)? Ich glaube nicht, dass irgendjemand das befriedigend fände. Ich finde das auch nicht befriedigend, und warum ich daher das reine Ausspielen eines sozialen Konflikts eher lahm finde, sollte wohl auf der Hand liegen.

Das war aber noch nicht das ganze Problem. Dazu kommt, dass prinzipiell jeder Spielercharakter in dieser Herangehensweise alles kann, was der Spieler dem SL verklickert kriegt. Dementsprechend sind Spieler, die ernsthaft Punkte in soziale Fertigkeiten stecken, latent angearscht – schließlich kann der Krieger mit Charisma 4 und Überreden 0 genauso rocken wie der Gelehrte mit Verstand 8, Charisma 8 und Überreden W10. Wieso sollte man dann überhaupt noch Punkte in soziale Fertigkeiten pumpen?

Also ist Lösung Nummero 1 für mich schon mal akut unbefriedigend (manchen Leuten gefällt diese Lösung tatsächlich, besonders die OSRler nutzen sie recht gerne – für mich ist sie trotzdem nichts). Kommen wir zum zweiten Ansatz: Die gute alte Probe (ggf. vergleichend). Man handwedelt den Konflikt nicht, sondern man würfelt einfach einmal und schaut, was herauskommt. Damit hat man dann eine Einbeziehung der Charakterwerte – der Krieger, der eine inspirierende Rede halten, wird als Antwort ein irritiertes “Was labert der da?” ernten. Dabei ist Ausspielen und Auswürfeln aber kein Widerspruch – wenn die Spieler gerade Lust darauf haben, wird vor dem Würfelwurf natürlich erstmal ausgespielt. Ein reiner abstrahierender Würfelwurf wird nur gemacht, wenn die ganze Geschichte irrelevant ist und/oder alle am Tisch langweilen würde. Das ist in meinen Runden mittlerweile die Standardlösung (es sei denn, Variante 3 steht zur Verfügung).

Aber auch das befriedigt nicht so ganz. Ein noch so wichtiger Konflikt wird auf einen Würfelwurf reduziert – das wird weder der Bedeutung gerecht noch erlaubt es irgendwie geartete “strategische” Möglichkeiten. Die Screentime ist deutlich niedriger als bei einem Kampf und auch der gamistische Würfelspaß ist nicht wirklich da. Und der eine Würfelwurf ist schlicht eine sehr wackelige Angelegenheit.

Daher gefällt mir Lösung 3 am besten: Ein System für soziale Konflikte, das ähnlich tickt wie ein Kampfsystem (oder sogar das Kampfsystem ist – vergleiche FATE, Malmsturm oder Dogs in the Vineyard). Hier besteht auch ein Wortgefecht aus einer Folge von erst ausgespielten und dann ausgewürfelten “Angriffen” und “Verteidigungen” mit verschiedenen “taktischen” Optionen et cetera. Leider gibt es diese Systeme viel zu selten, aber sie sind meiner Meinung nach der Königsweg. Sie bieten ähnlichen Spielspaß wie ein Kampf (drängen die Spieler also nicht dazu, Kämpfe zu provozieren, um endlich mal ihre Würfel nutzen zu können), sie bieten die Möglichkeit, hart verregelt friedliche Vorgehensweisen zu nutzen, um Kämpfe zu vermeiden und ans Ziel zu kommen, kurz: sie geben den SCs die Kontrolle, wie sie ans Ziel gelangen wollen.

Damit sind wir dann wieder beim Eingangsthema “Kampfsystem / Nichtkampfsystem”: Wenn ein System die Möglichkeit bietet, einen Kampf zu umgehen, unabhängig davon, ob der SL das gerade möchte oder nicht, und wenn das System soziale Konflikte nicht nur als notwendiges Übel sieht, sondern sie tatsächlich regeltechnisch unterstützt und fördert, dann kann man sagen, dass dieses System nicht kampforientiert ist. Für das Spielgeschehen am Tisch ist fast immer das am Entscheidensten, dem die Regeln die meiste Zeit einräumen!

Eigentlich gibt es viel zu wenige wirklich gute Konfliktsysteme, die nicht nur den Kampf aufgreifen. Ich mag es nämlich eigentlich, nicht in jeder Runde große Kämpfe zu haben, aber auch auf der Schwafelebene möchte ich gerne öfters mal ein schönes “Chaoselement” haben. Und dazu kommt, dass soziale Konflikte mit einer schönen Mechanik einfach nur Spaß machen – zumindest von meiner Warte her.

Anmerkung: Kommentare dürfen gerne hier hinterlassen werden, alternativ gibt es aber auch noch einen Thread im RSP-Blogs-Forum.